Begeistert von der marokkanischen Handwerkskunst startete Andrea Kolb vor zwei Jahren ein besonderes Modeunternehmen: Abury. Bei Abury trifft viel aufeinander: traditionelle Handwerkskunst auf moderne Formen, junge Designer auf althergebrachte Strukturen, gewinnorientiertes Arbeiten auf Social Business, westliche auf arabische Welt. Wir haben mit Andrea über ihre Arbeit gesprochen:
Abury ist ein schöner Name. Woher kommt er?
Der Name leitet sich aus meinem Mädchennamen ab. Andrea Bury. Ich wollte das am Anfang gar nicht, aber dann haben wir den Namen getestet und er kam gut an (lacht).
Was hast du vor Abury gemacht?
Ich bin Diplom Ökonomin und habe während der Arbeit noch ein Fernstudium zur Kulturmanagerin gemacht. Danach habe ich viele Jahre im Marketing und Sponsoringbereich gearbeitet und zum Beispiel die Laureus World Sport Awards mitentwickelt und in Monaco umgesetzt. 2001 machte ich mich selbstständig – Eventplanung und –umsetzung war häufig Teil der Aufgaben und irgendwann erreichte mich dort auch das Thema Nachhaltigkeit. Die Frage kam auf, wie man „Green Events“ umsetzen kann und ich fing an mich intensiv damit zu beschäftigen.
Und wie bist Du dann in Marokko gelandet?
2007 bin ich mit meinem Mann nach Marrakesch gegangen. Wir restaurierten einen Stadtpalast und eröffneten das AnaYela als “Place of Inspiration”, wo sich Leute treffen, die für eine Zeit aus gewohnten Strukturen ausbrechen wollen. Beim Ausbau des Hauses bin ich das erste mal mit der traditionellen marokkanischen Handwerkskunst in Berührung gekommen.
Und dann hast Du gleich Dein Modelabel da gegründet?
Ich habe eine alte Tasche geschenkt bekommen und meine ganzen Freundinnen hier sind total drauf abgefahren. Dann habe ich Näher kennen gelernt. Handwerk ist dort ein immer weniger respektierter Beruf, dadurch üben immer weniger das Handwerk aus und immer weniger lernen es. Die Einkunftsmöglichkeiten sind auch nicht gerade grandios. Und die Marokkaner sind gerade auf dem Weg in die Erste Welt: Sie wollen teure Autos, um die Welt fliegen, reich werden. Und wer wollte ihnen das verübeln? Auf der anderen Seite fragen wir uns hier ja gerade, ob das so gut war, von Werten wie dem klassischen Handwerk wegzugehen und auf die Massenproduktion zu setzen. Wir hier sind ja auf der Suche nach dem Handgemachten, nach dem Einzelstück, nach dem Besonderen. Ein paar Menschen in Marokko konnte ich überzeugen in der Tradition ihre Zukunft zu sehen, also ihre Tradition neu zu erfinden und in die Neuzeit zu übertragen – und damit auch nachhaltig Geld zu verdienen.
Wie verlief die Gründung?
Vor vier Jahren hab ich angefangen, vor etwa zwei konnten wir starten Ich habe bestimmt ein Jahr gebraucht mich mit den Menschen vor Ort und dem Handwerk zu beschäftigen. Dann hatte ich meine erste kleine Truppe zusammen und wir konnten loslegen und wir lernen immer noch jeden Tag dazu. Mein ursprüngliches Ziel war, dass wir Tradition und Moderne zusammen bringen. Wir nutzen traditionelles Handwerk und traditionelle Muster und bringen sie auf moderne Formen, von Ipad Bag zur Clutch. Im nächsten Schritt wollen wir auch mit modernen Stickereien arbeiten, im Januar kommt die neue Kollektion.
Wie wird die neue Kollektion?
Größere Taschen, modernere Muster. Wir wollen weltweit junge Designer mit Craft Communitys zusammen bringen, gerade war auch eine junge spanische Designerin für uns in Ecuador. Eine brasilianische Designerin hat im Rahmen ihrer Abschlussarbeit für Abury entworfen und eine Zeit in Marokko mit den Nähern gearbeitet – eine außergewöhnliche Erfahrung für beide Seiten.
Wie viele Leute hast Du in Marrakesch?
7 Frauen und 2 Männer fest.
Und die arbeiten autark?
Die alten Näher haben eine kleine Boutique, die Frauen finden sich manchmal zusammen, arbeiten aber auch viel von Zuhause. Das bleibt ihnen grösstenteils selbst überlassen.
Das ist eine außergewöhnliche Art der Produktion
Zu den Leuten habe ich alle eine persönliche Beziehung. Da basiert viel auf Vertrauen. Ab einer gewissen Größe muss man wahrscheinlich mehr Struktur rein bringen, aber noch können wir die Flexibilität eines kleinen Labels nutzen. Stechuhr werden wir aber sicherlich nie haben.
Wo kommen die Materialien her?
Alles von vor Ort. Wir nehmen die Materialien, die dort seit Jahrhunderten hergestellt werden, z.B. Leder oder Stoffe. Marokko ist bekannt für seine Lederarbeiten.
Erklär doch mal dein Social Business Model
ABURY besteht aus der ABURY Collection und der ABURY Foundation. 50% des Profits der Collection gehen an die Abury Foundation. Die Idee ist, dass wir alle gemeinsam an dem Aufbau des Unternehmens arbeiten, dann aber auch beiden Seiten (also wir als Unternehmer und die Handwerker als die Produzenten) profitieren – und den Profit teilen. Zur Zeit sind wir noch nicht profitabel und die Projekte finanzieren sich grösstenteils auch noch über Spenden.
Was sind eure Projekte, was ist Dein Herzenprojekt?
Herzensprojekte sind sie alle 🙂 Wir fragen die Leute vor Ort, was sie brauchen. Denn was wir rein interpretieren was sie brauchen, ist nicht immer das, was sie wirklich brauchen. Von den Frauen wurde zum Beispiel zurückgespielt, dass sie gerne eine Vorschule für ihre Kinder hätten. Die haben zwar sechs Jahre Schulpflicht, aber die Mütter können kaum helfen, da sie weder schreiben, noch lesen oder rechnen können. Dann haben wir ein Konstrukt aufgebaut, das beiden hilft: Die Kinder bekommen kostenlosen Vorschulunterricht, wenn die Frauen auch zur Schule gehen. Und nun haben wir morgens 25 Kinder und nachmittags 30 Frauen, die jeden Tag 3 Stunden in die Schule gehen. Der Lehrer kommt aus der Gegend, damit er auch das Vertrauen vor Ort hat.
Ein anderes Projekt ist ein Medizinisches. Ein großes Thema vor allem auch unter Kunsthandwerkern in Marokko, ist der Graue Star. Die Idee ist es nun, Portraits der Betroffenen zu fotografieren und mit dem Erlös der Bilder die Operationen zu bezahlen, die ca. 600 Euro kostet. Hierfür kooperieren wir mit einer NGO in Marokko, die von einem Augenarzt geführt wird. Wir konnten dafür den Starfotografen Thomas Rusch gewinnen, der bereits in Marokko war und sehr intime, berührende Portraits gemacht hat.
Du arbeitest mit vielen Leuten zusammen, an Abury haben scheinbar schon viele Menschen irgendwie partizipieren können.
Ohne ein tolles Team, zahlreiche motivierte und motivierende Menschen um mich herum, wäre das alles nicht möglich, bzw. möglich gewesen. Es muss immer einer vorne stehen, aber ohne die Menschen drumherum wäre das gar nicht möglich.
Du hast einen großen Unterstützerkreis, viele aus dem öffentlichen Leben.
Wie kommt das?
Ich komme aus der Kommunikation – und kann das nun für diese Sache einsetzen.
Vielen Dank für Deine Zeit Andrea.
Abury gibt es demnächst bei goodz.com